Long Covid ganzheitlich behandeln

Die Coronainfektion ist überstanden, aber die Folgen sind es noch lange nicht. So geht es vielen Patienten. Was also tun bei chronischer Müdigkeit, Atemnot und neurologischen Problemen? Dr. med. Isabel Bloss erläutert an drei Beispielen Behandlungskonzepte, die nicht nur auf Arzneien setzen.

Die möglichen Langzeitfolgen einer Infektion mit Covid-19 sind gefürchtet. Zu Recht, denn das Phänomen Long Covid ist weit verbreitet. Rund zehn bis zwanzig Prozent aller Patienten leiden nach der Erkrankung noch wochen-, mitunter monatelang unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Selbst symptomlos Infizierte oder Patienten mit einem milden Krankheitsverlauf sind oft davon ­betroffen. Warum das so ist, ist nach wie vor unklar. Forscher nehmen aber an, dass sich das Corona­virus im ­Gewebe regelrecht versteckt und im Körper chronische Entzündungsreaktionen samt einer Über­aktivierung der Mastzellen auslöst (siehe Grafik Seite 56). Solange dies den Organismus belastet, kann er sich nicht richtig erholen. Dr. Isabel Bloss stellt drei Fälle aus ihrer Praxis mit unterschied­lichen Long-Covid-Symptomen vor und berichtet, wie sie ihren Patienten helfen konnte. Eines gilt für die meisten Fälle: Die Betroffenen benötigen zur Genesung viel Geduld. Sie dauert mitunter Monate.

Fatigue

Eine 43-jährige Lehrerin, die ich schon seit zehn Jahren als Ärztin begleite, kam Anfang 2021 in meine Praxis und klagte über Dauermüdigkeit. Im Dezember war sie wegen einer Coronainfektion mit Atemwegssymptomen und Fieber rund drei Wochen krank­geschrieben gewesen. Die Krankheit war leicht verlaufen. Nun aber, einige Wochen nach der vermeintlichen Genesung, fühlte sich die Mutter zweier kleiner Kinder total erschöpft. Sie könne selbst einfache Dinge des Alltags nicht mehr bewältigen und müsse sich seit etwa vier Wochen nach der leichtesten körperlichen Anstrengung und nach jeder mentalen Belastung für mindestens zwei Stunden hinlegen. Auch habe sie oft Muskelschmerzen und Konzentrationsprobleme.

Mein Verdacht:

Die Patientin leidet unter einer sogenannten Fatigue als Folge der Coronainfektion. Auch wenn die Lehrerin eindeutig Covid-19 gehabt hatte, nahm ich dennoch Blut ab, um andere Ursachen für das chronische Erschöpfungssyndrom auszuschließen: Eisen und Ferritin, Schilddrüsen-, Leber- und Nierenwerte, großes Blutbild, sämtliche Vitamine der B-Gruppe, Zink und Selen sowie eine Herpes-Serologie (HHV1 und HHV6) – alles war im Normbereich.

Mein Behandlungsansatz:

Auch wenn sich eine Post-Covid-Fatigue verschiedenen Studien zufolge von allein nach mehreren Wochen in winzigen Schritten legt, versuchte ich, die Genesung zu unterstützen. Ich setzte dabei auf naturheilkundliche Arzneien und auf körperliche Aktivität. Um die Müdigkeit zu vertreiben, verordnete ich der Lehrerin zunächst hochdosiertes Vita­min C. Das auch Ascorbinsäure genannte Vitamin ist an 15 000 Stoffwechselvorgängen beteiligt und aktiviert unter anderem die körpereigenen Abwehrkräfte, wodurch sich die Heilung deutlich beschleunigt. Mehrere Studien zeigen, dass diese Stimulation des Immunsystems während und nach einer Coronainfektion am besten gelingt, wenn Vitamin C intravenös verabreicht wird (zum Beispiel Pascorbin von Pascoe). Die Lehrerin lehnte Infusionen jedoch ab, deshalb riet ich ihr zur täglichen Einnahme einer Brausetablette mit 1000 Milligramm Vitamin C (zum Beispiel Cevitt Orange von Hermes). Drei bis vier Wochen lang ist das ohne Nebenwirkung wie Zahnschäden oder Parodontitis gut möglich, sofern die Nieren intakt sind. Sehr geholfen hat ihr zudem die Behandlung mit Rosenwurz, je eine Filmtablette morgens und mittags (zum Beispiel Rhodiologes von Dr. Loges oder Rosenwurz-Kapseln von Sanitas). Hätte die auch Rhodiola rosea genannte Pflanze keine Wirkung gezeitigt, wären auch Präparate mit Taigawurzel oder Ginseng in Frage gekommen. All diese Pflanzen sind Adaptogene. Sie helfen dem Körper, Stressreaktionen besser zu regulieren und lindern so typische Stresssymptome wie Müdigkeit und Erschöpfung.

Als dritte Arznei empfahl ich der Patientin, die aufgrund der ganzen Situation seelisch sehr bedrückt war, eine vierwöchige Kur mit Neurodoron von Weleda. Davon sollte sie dreimal täglich zwei Tabletten im Mund zergehen lassen – das ist höher dosiert als auf der Verpackung angegeben, hat sich aber in einem solchen Akutfall sehr gut bewährt. Übrigens: Eine zeitlich begrenzte Therapie mit Vitamin C, Neurodoron und einem Adaptogen ist zunächst auch in der Selbstmedika­tion möglich, spätestens nach drei bis vier Wochen sollten sich Betroffene aber bei ihrem Arzt vorstellen.

Eine der wichtigsten Maßnahmen meines ganzheitlichen Behandlungsansatzes: Die Patientin sollte täglich mindestens eine halbe Stunde an die frische Luft. Das fiel ihr naturgemäß anfangs schwer, aber nachdem sie gemerkt hatte, wie gut ihr das Sauerstofftanken im Freien tat, wurden aus zehnminütigen langsamen Runden um den Block rasch längere Spaziergänge. Auch eine pflan­zenorientierte, frische vollwertige Kost sowie sanfte Yogaübungen unterstützten die Genesung.

 

Lesen Sie den vollständigen Beitrag in Ausgabe 3/2022 von natürlich gesund und munter.

Fotos: Pixabay

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