Jahrzehntelang war Hafer fast vergessen, heute ist er zum Liebling unter den Getreidesorten aufgestiegen, denn seine Nährstoffe machen ihn zur Quelle von Gesundheit. Das heimische Superfood hilft sogar dabei, Diabetes vorzubeugen.
Kaum ein Lebensmittel ist derart sagenumwoben und hat gleichzeitig so viele Höhen und Tiefen erlebt wie der Hafer. Sein wissenschaftlicher Name Avena sativa leitet sich vermutlich von dem Sanskritwort avasa für Nahrung und dem lateinischen sativa für angebaut ab und gilt als Hinweis, dass der Hafer eine reine Kulturform ist.
Angebaut wird er in Mitteleuropa bereits seit 5000 Jahren. Schon die Germanen sollen ihn geliebt haben und wurden deshalb angeblich von den Römern als „Haferfresser“ bezeichnet. Im Mittelalter galt er als Nahrung armer Leute und wurde auch zum Bierbrauen verwendet. Früh rankten sich Geschichten und Rituale um ihn: Wenn junge Burschen Mädchen mit Hafer bewarfen, gaben ihnen die Körner, die an den Kleidern der Mädchen hängen blieben, Auskunft über die Anzahl ihrer zukünftigen Kinder. Ein Brautpaar bekam Hafer in die Kleidung gestreut, um „vom Hafer gestochen zu werden“ und sich fortzupflanzen. Und wenn man ein krankes Kind mit einer Handvoll Hafer bestrich, hoffte man, die Krankheit würde an den Körnern hängen bleiben. Man musste diesen dann nur noch an einem geheimen Ort aussäen. Sobald der Hafer wuchs, sollte die Krankheit verschwunden sein.
In naturheilkundlichen Texten fand das Getreide schon früh einen Platz. In seiner großen Sammlung „De materia medica“ beschrieb der römische Arzt Dioskurides bereits im 1. Jahrhundert die Heilwirkung von Hafer zum Beispiel bei Erkältungs- und Darmbeschwerden. Und Hildegard von Bingen schrieb im 12. Jahrhundert: „Der Hafer ist warm, von scharfem Geschmack und … er ist eine beglückende und gesunde Speise …“
Etwa zu dieser Zeit wurde Hafer in unseren Mittelgebirgslagen zur bedeutenden Feldfrucht. Auch andere Heilkundler wie der „Wasserpapst“ und Pfarrer Sebastian Kneipp und der Diabetologe Carl von Noorden bescheinigten in ihren Veröffentlichungen dem Hafer heilende Eigenschaften, vor allem im Zusammenhang mit Magenleiden und Zuckerproblemen.
Superfood mit Mehrwert
Bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts blieb Hafer in Deutschland nach Roggen die wichtigste Getreideart. Doch dann verschwand er plötzlich von der Bildfläche. Hafer diente hauptsächlich als Viehfutter und spielte jahrzehntelang in der menschlichen Ernährung eine eher unwichtige Rolle. Er wurde allenfalls als Bestandteil im Müsli wahrgenommen – bis er in den letzten Jahren zum absoluten Superfood aufstieg.
Heute gilt Hafer als eines der gesündesten Lebensmittel schlechthin. Außer im Müsli, Porridge und Overnight Oat (über Nacht eingeweichter Haferbrei) findet man ihn auch in Brot, Keksen und Kuchen, als vegane Sahne, Joghurt und sogar als Hafereis. Porridge avancierte zur bekömmlichen Frühstücksalternative. Der wahre Aufstieg unter den Haferprodukten gelang aber den Haferdrinks. Laut Marktbeobachtern haben sie als beliebtester Milchersatz die bisher vorherrschenden Sojadrinks abgelöst. 2020 wurden 229 Millionen Liter in Deutschland verkauft. Kein Wunder: Hafer schmeckt milder als die eher herb-nussige Sojavariante und gilt als „Zeitgeist-Produkt“: Ein Latte Macchiato mit Barista-Hafermilch ist einfach „in“. Außerdem punktet er auch gegenüber der Kuhmilch mit einem besseren ökologischen Fußabdruck: Haferdrink wirkt sich im Vergleich zu halbfetter Kuhmilch um rund 70 Prozent weniger auf das Klima aus und verbraucht in der Herstellung nur knapp 40 Prozent der Energie.
Ein weiterer, nicht zu verachtender Grund: Im Gegensatz zu vielen anderen Lebensmitteln, die als besonders gesund gelten, wie zum Beispiel Avocados, Chiasamen und Goji-Beeren, hat Hafer keine langen Transportwege hinter sich und kann deshalb eine ausgesprochen gute Energiebilanz vorweisen. Im Jahr 2020 sind in Deutschland 157 000 Hektar Hafer angebaut worden, davon rund 30 Prozent im Bioanbau. Tendenz steigend.
Haferkerne
Befreit von ihrer äußeren Hülle, der sogenannten Spelze, haben sie einen besonders hohen Gehalt an Eiweiß, Vitaminen und Mineralstoffen. Haferkerne verfügen über 40 bis 80 Prozent mehr Ballaststoffe als Haferflocken.
Hafergrütze
Entsteht durch das Zerschneiden der Haferkerne. Die kleinen Stücke sind Ausgangsprodukt für weitere Erzeugnisse, Hafergrütze wird aber auch unverarbeitet im Handel angeboten und wie Milchreis zubereitet.
Haferflocken
Je nach Größe werden entweder große Haferkerne ausgewalzt oder kleine Haferkerne zu Grütze geschnitten und dann zu Flocken gewalzt. Sie schmecken unter anderem im Müsli, Porridge, Gebäck, in Gemüsebällchen und als Panade.
Haferkleie
Die Kleie besteht aus Keim und Randschichten mit einem hohen Nährstoffgehalt, der Mehlkörper wird entfernt. Als lösliche Flocken und als Grieß wird Haferkleie zum Beispiel für Müsli, Pfannkuchen, Desserts und Gebäck verwendet.
Hafermehl
Hierfür werden Haferflocken und/oder Hafergrütze fein vermahlen. Hafermehl kann nur bis zu einem Viertel das herkömmliche Mehl ersetzen. Daher darf ein Haferbrot oder -brötchen bereits mit 20 Prozent Haferanteil als solches bezeichnet werden.
Haferdrink
Gemahlene Haferkerne werden mit Wasser, Ferment und anderen Zutaten vermengt und für die Haltbarkeit ultrahocherhitzt und steril abgefüllt. Haferdrink gibt es mittlerweile als aufschäumbare Variante („Barista“), die zum Beispiel im Kaffee schmeckt.
Lesen Sie den vollständigen Beitrag in Ausgabe 3/2022 von natürlich gesund und munter.
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