Die weit verbreitete Fichte, die ein so heimeliges Gefühl der Geborgenheit vermittelt, schenkt mit ihren Nadeln, den jungen Trieben und ihrem Harz starke Helfer, vor allem bei Erkältungskrankheiten.
Schon in der Steinzeit war die Heilkraft der Fichte bekannt. Unsere Vorfahren wussten, dass die ätherischen Öle und das balsamische Harz der mächtigen Nadelbäume für freie Atemwege und innere Reinigung sorgen. Davon profitieren wir bis heute, vor allem in der Erkältungszeit.
Es ist das besondere Aroma würziger Fichtennadeln, das Wohlempfinden auslöst, im winterlichen Nebelgrau die Stimmung hebt und uns auch körperlich so gut tut. Für viele Menschen gibt es deshalb nichts Schöneres, als sich mit einem warmen, nach Fichtennadeln duftenden Vollbad aufzuwärmen, wenn sie mit kalten Füßen und trüben Gedanken nach Hause kommen. Sie spüren das angenehm warme Wasser an ihrer Haut und atmen gleichzeitig die aromatischen Fichtennadelessenzen ein, die die Atemwege reinigen und eine Extraportion Wohlgefühl hervorrufen.
Bei diesem Duft denken viele auch an Weihnachten und gemütliche Winterabende im Familienkreis. Und wer als Kind heimlich Fichtenzweige an brennenden Adventskerzen angeräuchert hat, weiß, welch geheimnisvoller Zauber dieser intensive Geruch in sich birgt, der uns ein vertrautes Gefühl der Geborgenheit vermittelt, das tief in uns verwurzelt ist. Deshalb verwundert es auch nicht, dass die Fichte über lange Zeit der typische Weihnachtsbaum war. Für unsere Altvorderen symbolisierte sie das schützende, weibliche Element und wurde auch als Mutterbaum bezeichnet. Wenn man im Wald eine Gruppe kleiner Fichtenbäumchen entdeckt, über die ein großer alter Fichtenbaum schützend seine Äste ausbreitet, versteht man, warum das so ist. In der schwedischen Provinz Dalarna steht eine jahrhundertealte Fichte, „Old Tjikko“ genannt, unter der sich ein weitverzweigtes Wurzelsystem ausgebildet hat, das auf ein Alter von 9500 Jahren geschätzt wird und immer wieder neue Bäumchen heranwachsen lässt.
Die Fichte, eine freundliche Nachbarin
Ein einzelner Fichtenbaum kann bis zu 600 Jahre alt werden. Die immergrüne Fichte ist neben der Tanne der am häufigsten vorkommende Nadelbaum in Europa. Sie wächst sowohl im hohen Norden als auch in den Gebirgen Mittel- und Südeuropas. Die zu den Kieferngewächsen zählenden Bäume sind ausgeprägte Flachwurzler und überlassen ihren Nachbarn die tieferen Erdregionen. Bei Stürmen sind sie deshalb auf den Halt der benachbarten Bäume angewiesen. Dank ihrer schmalen Krone lässt sie anderen, dominanteren Bäumen viel Platz neben sich und hält sich in der Vorherrschaft des Waldes stets zurück. Man könnte die Fichte als freundliche Nachbarin betrachten, die ihre Kraft und Energie in ihre eigene Lebenskraft steckt, die lebt, und leben lässt.
Es ist deshalb kein Wunder, dass die alten Germanen mit der Fichte symbolisch die Wiederkehr des Lebens und die sich erneuernde Kraft der Natur feierten. Zusammen mit der Birke wurde die Fichte früher als Maibaum verwendet. Dieser Brauch wandelte sich im Laufe der Jahrhunderte zum christlichen Weihnachtsfest. In Goethes „Leiden des jungen Werthers“ (1774) berichtet der Protagonist bei einem Besuch seiner verehrten Lotte von einem „aufgeputzten Baum“ mit Wachslichtern, Zuckerwerk und Äpfeln, der ihn in paradiesisches Entzücken versetzte. Von Deutschland aus verbreitete sich die Tradition des Weihnachtsbaums im 19. Jahrhundert in die ganze Welt.
„Die Fichte sticht, die Tanne nicht!“ – dieser Spruch bringt den Unterschied ganz einfach auf den Punkt. Die Nadeln der Tanne sind tatsächlich weicher und sitzen kammförmig gescheitelt flach auf dem Zweig, während die glänzend grünen, vierkantigen, spitzen und stechenden Nadeln der Fichte rundum quirlig angeordnet sind. Die Zapfen der Tanne wachsen aufrecht, die Schuppen fallen ab, aber die Spindel bleibt stehen. Bei der Fichte hängen die Zapfen und fallen ganz vom Baum. Die Rinde der Fichte ist rötlich, weshalb sie oft auch Rottanne genannt wird, während der Stamm der Tanne silberweiß schimmert.
Bewährte Heilkräfte
„Guten Morgen, Frau Fichte, da bring ich dir die Gichte.“ Mit diesem Spruch und der Anweisung an einen Gichtkranken, vor Tagesanbruch im Wald drei Tropfen Blut im Spalt einer jungen Fichte zu versenken, hat man in Deutschland früher seine Krankheiten bei der Fichte abgegeben, sie quasi entsorgt. Neben diesem seltsam anmutenden Brauch sind jedoch auch viele andere Heilanwendungen überliefert, die sich in der Praxis bewährt und in wissenschaftlichen Studien bestätigt haben. Vor allem die Fichtennadeln spielen dabei eine große Rolle. Sie enthalten viele ätherische Öle wie Bornylacetat, Camphen und Pinene sowie Harz, Flavonoide, Terpene und Gerbstoffe. Diese wirken befreiend auf die Atemwege, schleimlösend und antibakteriell – deshalb können vor allem Erkältungskrankheiten sehr gut damit behandelt werden. Die heilenden Inhaltsstoffe finden ihre Verwendung in Tees, Auszügen zum Inhalieren, als Badezusatz, in Salben und Tinkturen. Denn auch bei muskulären Verspannungen, Gliederschmerzen, Rheuma und Gicht hilft die Fichte, da ihre Inhaltsstoffe die Durchblutung anregen. Man denke nur an den Franzbranntwein, ein Einreibemittel, das schon seit Jahrhunderten bei Muskel- und Gelenkschmerzen, Muskelkater, Zerrungen und Prellungen zum Einsatz kommt. Es enthält neben reinem Alkohol meist auch reichlich Fichtennadelöl. Auch andere Produkte mit Fichtennadeln aus der Apotheke entfalten eine wohltuende Wirkung bei vielerlei Beschwerden. So durchwärmt beispielsweise das „Wind und Wetter Bad“ von Dr. Hauschka und sorgt für einen freien Atem, während das „Fichtennadelöl-Bad“ von Spitzner rheumatische Beschwerden lindert.
Für eine angenehme Raumbeduftung sorgen zum Beispiel das Öl „Fichtennadel sibirisch“ von Primavera oder das „Bio Fichtennadelöl“ von Taoasis. Weitere Nutzungen der Fichte sind heute etwas in Vergessenheit geraten: Einst wurde das gelbe, krümelige Fichtenharz als Arznei zur Wundbehandlung in Apotheken verkauft. Das Harz stärkt die Zellwände und wirkt antibakteriell. Auch die alte Kunst der „Waldräucherung“ wurde früher gepflegt. Sie wirkt kräftigend und beruhigend. Zudem hat man im Winter, wenn es kaum frische Lebensmittel gab, die vitaminreichen Fichtenzweige gern in der Küche verwendet. Das Vitamin C der frischen Fichtentriebe diente einst zur Vorbeugung der Mangelkrankheit Skorbut.
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Titelbild: Gerold H. Waldhart / AdobeStock.com