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Kolumne: Das Geschenk des Lebens

Kolumne von Dr. med. Isabel Bloss, Ärztin mit eigener Praxis, Schwerpunkt Anthroposophische Medizin, Homöopathie und TCM, gibt Antworten auf Lebensfragen, mit denen sie bei ihrer Arbeit konfrontiert wird.

In letzter Zeit bemerke ich immer häufiger, dass Menschen sich beklagen, über das Wetter, ihre Mitmenschen, vor allem aber auch über ihre Gesundheit. Natürlich ist es mein Beruf, mich mit verschiedensten Erkrankungen und ihren teils schlimmen Auswirkungen zu beschäftigen. Meist sind es aber die eher kleineren Beschwerden, die großen Raum einnehmen, sei es die Verspannung im Nacken, die unruhige Nacht oder das gelegentliche Sodbrennen. Schwere Schicksalsschläge, fällt mir auf, werden dagegen oftmals besser angenommen. Warum wird so viel gejammert, und was können wir dagegensetzen?

Ich denke, es hilft, die Perspektive zu wechseln. Zu versuchen, das Leben als Geschenk zu betrachten, das wir jeden Tag aufs Neue erhalten. Dann sind die kleineren Zipperlein, die zum Alltag und praktisch zu jedem Leben dazugehören, weniger wichtig. Entscheidend ist doch, dass wir überhaupt am Leben sind – ja, auch das kann zu einer schönen Wahrnehmung werden, gerade, wenn etwa Angehörige lebensbedrohlich erkranken oder gar im Sterben liegen. Um das Leben wieder feiern zu können und nicht nur die Beschwerlichkeiten des Alltags zu sehen, ist etwas Disziplin wichtig und der Wille, den Blick auf das zu richten, was uns geschenkt wurde. Und damit meine ich keine materiellen Güter. Es geht um die Kleinigkeiten, die uns täglich zuteilwerden – wenn wir genau hinsehen: die Sonne am Morgen, dass ich aufstehen kann, ein Dach über dem Kopf habe und Freunde, die es gut mit mir meinen.
Jeder findet beim genaueren Hinsehen etwas, das ihm – vielleicht sogar täglich – zuteilwird. Das Gute wird jedoch im Alltagstrubel oft selbstverständlich. Dann rücken die Probleme, körperliche Beschwerden und Einschränkungen in den Vordergrund.

Eine gute Freundin von mir hat vor zwei Jahren die Diagnose Parkinson bekommen und musste zunächst lernen, damit umzugehen. Sie hat teilweise schwere gesundheitliche Einschränkungen, aber wenn ich sie frage, wie es ihr geht, antwortet sie fast immer: Mir geht es gut. Dies ist nicht gespielt, sie meint es wirklich so. Und dann spricht sie davon, was für ein schönes Buch sie gelesen hat, oder sie erzählt mir, wohin sie gern noch reisen würde. Das meine ich mit Perspektivenwechsel. Auf einmal ist da das Gefühl von Demut vor dem
Leben; sie ist die kleine Schwester der Dankbarkeit, und ich finde sie mindestens genauso wichtig. Wenn ich demütig bin, ist eigentlich nichts mehr selbstverständlich für mich, sondern ich empfinde Wertschätzung Menschen und Ereignissen gegenüber.

Es hilft, wenn ich mich abends hinsetze und ganz bewusst notiere, was an diesem Tag wertvoll war, wofür ich dankbar sein kann. Die Hirnforschung lehrt, dass dieser Wechsel der Blickrichtung auf Dauer unsere neuronalen Netze positiver „verdrahtet“ und die neue Wahrnehmung sich immer leichter einstellt. Und die verspannten Rückenmuskeln, die Erschöpfung und der Kopfschmerz können allmählich einer neu gewonnenen Leichtigkeit weichen.

Diesen Beitrag finden Sie in Ausgabe 5/2019


Foto: Pixabay

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