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Aufgeben ist keine Option für mich

Eine Krebsdiagnose bringt alles durcheinander. Die TV-Moderatorin Maria von Welser erzählt, wie sie gegen ihren Gehirntumor kämpfte und ihr tätiges Leben zurückgewann.

Kaum eine Erkrankung löst größere Ängste aus als ein Gehirntumor. Die engagierte Journalistin Maria von Welser erfährt 2017, dass sie an einem Meningeom – einem zunächst gutartigen Tumor – leidet. Die heute 73-Jährige steht mitten im Leben, schreibt Bücher, hält im ganzen Land Vorträge über die Situation von Flüchtlingsfrauen. Nach der Entfernung des Tumors ist sie fest entschlossen, schnell ihr normales Leben wieder aufzunehmen. Der Tumor kehrt zurück, aber Auf­geben ist für sie keine Option. Nach dem Motto „jetzt erst recht“ recherchiert sie alles über Gehirntumore. Im Gespräch erzählt sie, was sie herausgefunden hat und was ihr geholfen hat.

natürlich gesund und munter: Frau von Welser, vor zweieinhalb Jahren haben Sie erfahren, dass sich in Ihrem Gehirn ein Tumor befindet. Seither kämpfen Sie gegen den Tumor und für das Leben. Woher nehmen Sie die Kraft und den Optimismus?
Maria von Welser: Ich schaue nicht nur, was in meinem Kopf passiert, sondern weiterhin, was draußen in der Welt geschieht. Mir kommt da immer wieder Hannah Arendt, die große Philosophin, mit ihrer „Vita Activa“ in den Sinn. Ich habe versucht, mir dieses tätige Leben ein Stück weit zu erhalten. Auch während der letzten Jahre habe ich weiter das politische Geschehen beobachtet und an der Uni Paderborn gelehrt, also immer versucht, das „Drinnen“ mit dem „Draußen“ zu verbinden. Darüber habe ich in meinem neuen Buch „Ich habe beschlossen, dass es mir nur noch gut geht“  berichtet.

Anfang dieses Jahres haben Sie sich doch noch einer Strahlentherapie mit 32 Sitzungen unter­ziehen müssen. Wie geht es Ihnen derzeit?
Ich bin furchtbar müde zwischendurch, da ich seither unter einem Fatigue-Syndrom leide. Manchmal muss ich mich nachmittags eine Stunde hinlegen, aber ich kann und will nicht nur schlafen. Ich laufe jeden Tag mindestens sechs bis acht Kilometer. Denn Bewegung ist nachweislich das allerbeste Mittel gegen das Fatigue-Syndrom. 

Nach Ihrer Diagnose haben Sie sich im Netz umfassend über Hirntumore informiert. Wie vertrauenswürdig ist denn Dr. Google?
Das Internet ist erst einmal eine gute Möglichkeit, sich über unklare Begriffe zu informieren. Aber man sollte natürlich nicht nur bei Google recherchieren. Es gibt darüber hinaus viele seriöse Datenbanken, in denen man sich sachkundig machen kann, wie etwa die Mediatheken von ARD und ZDF. Auch bei Online- und Printmagazinen kann man sich schlaumachen. In der Zeitschrift der deutschen Hirntumorhilfe „Brainstorm“ wurde über eine aktuelle Studie berichtet, die geprüft hat, ob Flüge für Tumorpatienten sicher sind. Das war für mich interessant. So habe ich beispielsweise erfahren, dass ich bereits sechs Monate nach meiner Operation nach München fliegen konnte.

Für die Anschlussbehandlung suchten Sie nach einem geeigneten Physiotherapeuten in ihrer Wahlheimat Hamburg. Dessen Suche bezeichnen Sie in Ihrem Buch als „surreal“. Warum war es so schwer, jemanden zu finden?
Ich habe festgestellt, dass die Qualität in der Physiotherapie eine große Bandbreite hat. Es gibt hervorragende Physiotherapeuten, die zugleich zupackend und einfühlsam sind. Aber es gibt auch jene, die nur auf die Zeit aus sind und von der achtzehnminütigen Behandlungsdauer jeweils zwei Minuten für das An- und Ausziehen und fünf Minuten für das Rein- und Rausgehen abziehen. Da habe ich Erstaunliches kennengelernt. Aber ich gebe nicht auf, und ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass man durch Reden weiterkommt. Am Ende bin ich bei einer sehr guten Physiotherapeutin gelandet.

Sie selbst sind sehr gut vernetzt und berufs­bedingt fit in der Recherche. Was raten Sie denn „normalen“ Patienten, die auf der Suche nach einem passenden Arzt oder Therapeuten sind?
Nicht aufgeben, immer weiterfragen, und nicht aufhören zu recherchieren. Ob es der Hausarzt oder ein Freund eines Freundes ist – es gibt immer irgend­welche Menschen, die einem weiterhelfen. Das ist die Botschaft meines neuen Buches! Das Hirntumorforum im Internet bietet übrigens auch tolle Unterstützung durch andere Betroffene.

Welche Hilfe haben Sie konkret im Hirntumor­forum erhalten?
Man kann dort Betroffenen Fragen stellen, die bereits Ähnliches durchlebt haben. So konnte ich erfahren, wie es anderen nach der Operation ergangen war und wie lange es dauert, bis man wieder seinen eigenen Haushalt erledigen kann, oder wie lange bei ihnen der Schwindel nach der OP angedauert hat. Es ist unglaublich, welche Themen da behandelt werden und welche Hilfe und Ermutigung man als Betroffener dort findet. Das Forum ist unabhängig und wird weder von der Pharmaindustrie noch von Ärzten oder anderen Interessenverbänden gestützt oder gefördert, sondern es wird finanziell nur von Mitgliedern getragen. Auf dem Hirntumortag Anfang­ Mai in Berlin konnten sich 500 Patienten schlaumachen. Dort sprachen die besten Experten, etwa Neurochirurgen oder Pharmakologen. Das kann sehr hilfreich sein.

Bei ihrer Recherche haben Sie festgestellt, dass 70 Prozent derjenigen, die an einem Meningeom erkranken, Frauen über 55 Jahren sind. Experten vermuten einen Zusammenhang zwischen Tumor und weiblichen Hormonen. Sie haben die Spur verfolgt. Was haben Sie herausgefunden?
Mich hat diese These sehr irritiert. Ich habe deshalb nach Hormonspezialisten gesucht und bei meiner Recherche zwei Hamburger Ärztinnen gefunden, Dr. Katrin Schaudig und Dr. Anneliese Schwenkhagen. Beide befassen sich tagtäglich intensiv mit der Hormonsituation von Frauen. Sie raten Patientinnen, die an einem Meningeom erkrankt sind, die künstlichen Hormone abzusetzen. Die Ärztinnen fordern, dass alle histologischen Befunde ein Jahr lang gesammelt und in einer Datenbank aufgenommen werden, um zu prüfen, welche Hormone das Tumorwachstum fördern. Das finde ich eine gute Idee. Denn wie der Neurochirurg Dr. Manfred Westphal vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf sagt: Bisher „wissen wir nur, dass es einen Einfluss durch Hormone gibt, aber wir wissen nicht, welchen“.

Wie war das bei Ihnen?
In meinem Fall ist ganz klar, dass Progesteron, also das Gelbkörperhormon, das Wachstum meines Meningeoms gefördert hat. Allerdings habe ich nie zusätzlich Progesteron eingenommen. Aber da das Gehirn ja auch eigenständig Hormone produziert, ist die Gemengelange schwierig. Im August 2017 habe ich meine Hormonersatztherapie von synthetischen auf bioidentische Hormone umgestellt. Die Endokrinologen rieten mir allerdings, auch die bioidentischen Hormone abzusetzen. Aber da das Wachstum des Meningeoms engmaschig kontrolliert wird und ich keine Lust auf Wechseljahresbeschwerden hatte, lehnte ich das ab. Seit dieser Hormonumstellung habe ich keine Migräne mehr! Das ist wirklich ein kleines Wunder. Mit Migräne habe ich mich seit meiner Jugend herumgeschlagen.

Nach der Operation litten Sie unter einer Vielzahl von  Beschwerden. Um diese zu lindern, haben Sie auch alternative Methoden wie die Traditionelle Chinesische Medizin ausprobiert. Inwieweit hat Ihnen­ diese Behandlung geholfen?
Nach der Operation 2017 hatte ich einen starken Komplettschwindel, sodass ich bis August 2018 an Stöcken gehen musste und auch nicht Autofahren konnte. Ich bin und war immer bereit, jeden Strohhalm zu ergreifen, damit es aufwärtsgeht. Und als eine frühere Freundin und Kollegin bei mir zu Besuch war und mir erzählte, dass ihr ein chinesischer Arzt mit Akupunktur und Tuina-Massagen geholfen habe, ihre Gelenkbeschwerden loszuwerden, entschied ich mich, auch diese TCM-Anwendungen auszuprobieren und vereinbarte sofort einen Termin. Nachdem ich beim chinesischen Arzt war und der mich fünfmal die Woche mit Akupunktur und Hot Stones behandelt hat, ist mein Schwindel im Sitzen und im Stehen weg, und ich kann seither wieder ohne Stöcke gehen. Aber unverändert leide ich weiterhin an Gangschwindel.

Dagegen lässt sich nichts machen?
Damit sich die Beschwerden nicht verschlimmern, mache ich mit der Physiotherapeutin ein Gleich­gewichtstraining und arbeite mit ihr an meiner aufrechten Haltung. Das hilft mir ungemein.

Sie gehen sehr nüchtern mit Ihrer Erkrankung um und wirken stark, diszipliniert und tapfer. Was hilft Ihnen in schwachen Momenten?
Hin und wieder frage ich mich, „werde ich es schaffen, jeden Tag aufs Neue gegen den Krebs und für das Leben zu kämpfen“. Der Glaube hilft mir. Ich bete jeden Tag zum lieben Gott, dass er mir die Kraft schenkt, so weiterzumachen.

Hat sich Ihre Lebenseinstellung durch die Krankheit verändert?
Nein! Ich habe immer schon im Hier und Jetzt gelebt. Und mein Motto bleibt „Mein Glas ist nicht halb leer, sondern immer halb voll“.
/Das Gespräch führte Inge Behrens.


Diesen Beitrag finden Sie in Ausgabe 5/2019


Foto: Franklin Hollander

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