René Descartes (1596–1650), französischer Philosoph, Mathematiker und Naturwissenschaftler, hat die medizinische Wissenschaft nachhaltig verändert. Als überzeugter Rationalist teilte er die bis dahin als Ganzheit angesehene „Einheit Mensch“ in das Körperliche und das Geistige auf.
Seine Theorie von Leib und Seele als getrennte Einheiten prägt bis heute das medizinische Denken. Bei genauer Lektüre seiner Schriften wird aber deutlich, dass dort lediglich hervorgehoben wird, inwiefern der Körper anderen Gesetzmäßigkeiten unterliegt als der freie, nicht materielle Geist. Natürlich wusste er, wie jeder von uns, dass psychische Zustände wie Freude, Wut oder Angst körperlich miterlebt werden.
In seiner Abhandlung „Les Passions de l´âme“ benennt Descartes die Epiphyse (Zirbeldrüse) als Verbindung von Körper und Seele. Dieses Organ in unserem Gehirn gilt in der ägyptischen und hinduistischen Tradition als Tor zur höheren Bewusstseinsebene, verantwortlich für Intuition, Einsicht und Weisheit. Außerdem vermutete Descartes, dass die Epiphyse ein psychosomatisches Verbindungsorgan zwischen dem Sehen und den Muskelbewegungen sei. Heute wissen wir, dass die Zirbeldrüse unseren Schlaf-Wach-Rhythmus reguliert.
Zwar empfinden wir das Psychische, also unser Denken und Fühlen, das Erinnern, unsere Fantasien als etwas Immaterielles; der Geist ist frei, wir können uns frei entscheiden und handeln. Zugleich aber wissen wir, dass wir ein körperliches Gedächtnis haben; wenn man Klavier spielt oder Rad fährt, merkt man, wie sehr das erinnerte Wissen mit unserem körperlichen Verhalten verwoben ist. Wissenschaftlich ist außerdem bewiesen, dass Ärger, Angst oder übertriebene Sorge Stress ver- ursachen, der unser Abwehrsystem schwächt und uns Energie raubt – gerade in der jetzigen Corona-Krise gilt es, mit Optimismus, Zuversicht und mitfühlender Zwischenmenschlichkeit dagegenzuhalten. Liebe, Freude, wertschätzender Umgang miteinander und eine positive Beziehung zum eigenen Körper hingegen aktivieren unser Anti-Stress-Beruhigungssystem und stärken unsere Selbstheilungskräfte.
Wir haben in uns eine „innere Apotheke“, die freilich nicht nur auf unsere psychische Verfassung reagiert, sondern auch auf das, was wir essen, wie wir uns bewegen, schlafen und atmen. Warum also wehren wir uns dagegen, den funktionalen Zusammenhang zwischen unserer Seele und unserer Gesundheit zu sehen? Zwei Antworten fallen mir ein: Zum einem wäre es kränkend zuzugeben, dass etwas gegen unseren Willen mit uns geschieht. Zum anderen widerstrebt es uns, uns für unsere Leiden mitverantwortlich zu fühlen; viel bequemer ist es, diese Sorge dem Arzt beziehungsweise den Medi- kamenten zu überlassen. /Dr. Jan Ponesicky. Diesen Beitrag finden Sie in unserer Ausgabe 3/2021