Lhamo Döndrups Geburt am 6. Juli 1935 stand unter einem besonderen Stern. Knapp 18 Monate zuvor, am 17. Dezember 1933 war der 13. Dalai Lama verstorben, und die tibetische Regierung stand vor der schwierigen Aufgabe, nach einem Kind zu suchen, in dem der „Buddha des Mitgefühls“ wiedergeboren worden war.
Nach tibetischer Tradition oblag es dabei hohen Lamas und Würdenträgern, durch umfangreiche Prüfungen einen Nachfolger zu finden. Die Suche endete mit der Bestimmung von Lhamo Döndrup, dem zweiten Sohn einer Bauernfamilie, zum 14. Dalai Lama Tibets. Intensive Lehrjahre im Kloster Lhasa folgten dieser Wahl, jetzt als Mönch mit dem Namen Tenzin Gyatso.
Als Tenzin Gyatso 15 Jahre alt war, wurde ihm die weltliche Herrschaft über Tibet übertragen. Eine schwere und entbehrungsreiche Zeit folgte. So musste er sich unmittelbar nach seiner Einsetzung der Bedrohung Tibets durch die im Jahr 1949 gegründete Volksrepublik China stellen. In immer neuen Anläufen versuchte der Dalai Lama, auf China zuzugehen. Die Volksrepublik jedoch lehnte alle Vermittlungsversuche ab, mehr noch, sie erhöhte die Repressionen drastisch.
Im März 1959 blieb dem damals 23-Jährigen keine andere Wahl, als nach Indien zu fliehen. Tenzin Gyatso blieb aber ein unerschütterlicher Friedensbotschafter. Folgerichtig wurde er 1989 mit dem Friedensnobelpreis geehrt, obwohl ein Frieden zwischen Tibet und China bis heute nicht zustande gekommen ist.
In diesem Jahr hat der 14. Dalai Lama seinen 85. Geburtstag gefeiert – in einer Zeit weltweiter Umbrüche, geprägt von Epidemie-Ängsten, Kriegen, Flucht und Umweltsorgen. Und viele fragen sich, wie unsere weitere Zukunft aussehen wird. Wie denkt darüber ein Mann mit seinen Erfahrungen? Es lohnt sich, seinen Worten zuzuhören: „Um die Probleme und Konflikte zu lösen, mit denen wir im 21. Jahrhundert konfrontiert sind, brauchen wir neue Antworten. Ich glaube daran, dass diese Antworten jenseits der Religionen liegen. Sie liegen in einem Konzept, das ich säkulare Ethik nenne und das wir fördern müssen. Säkulare Ethik meint, dass wir uns selbst erziehen und bilden – basierend auf wissenschaftlicher Erkenntnis, gemeinsamen Erfahrungen und der gemeinsamen Überzeugung, dass wir die Werte der Menschlichkeit auf der ganzen Welt fördern müssen. Deshalb appelliere ich an die junge Generation: Gebt alles was ihr könnt, um dieses 21. Jahrhundert zu einem Jahrhundert des Friedens, des Dialogs und des Respekts für den Menschen und die Natur zu machen!“ Diesen Beitrag finden Sie in Ausgabe 6/2020