Auszug aus dem Spezial Corona
Hoffnung und Skepsis liegen bei jeder Impfung eng beieinander. Die Geschichte lehrt uns, ohne Impfungen hätte manche Pandemie nicht eingedämmt werden können. Es gab aber auch immer wieder Impfschädigungen, die nicht vergessen werden dürfen. Sind die jetzt angelaufenen Massenimpfungen die Lösung für unsere aktuelle Pandemie? Es lohnt sich, sich mit dieser Frage intensiv auseinanderzusetzen.
Die Verunsicherung in Sachen Corona-Schutzimpfung ist groß: Lasse ich mich impfen, sobald mir die Möglichkeit dazu geboten wird? Gehöre ich zu einer gefährdeten Bevölkerungsgruppe oder ist mein Infektionsrisiko so gering, dass ich die Impfung vielleicht gar nicht benötige? Sind die neu entwickelten Impfstoffe sicher und effektiv genug? Ist es sinnvoll, mögliche Nebenwirkungen der Impfung in Kauf zu nehmen, um dadurch einen schweren Corona-Verlauf zu verhindern? All diese Fragen lassen sich nicht mit einem pauschalen ja oder nein beantworten, zumal sich die Erkenntnislage in Sachen Corona und Impfung fast täglich ändert. Was im März als gut und richtig gilt, kann kurz danach widerlegt sein, während andere Punkte, die vor einigen Wochen eher mit Skepsis betrachtet wurden, sich im weiteren Verlauf als positiv herausgestellt haben.
Was wir aus der Geschichte des Impfens lernen können
„Eine verträgliche, wirksame Schutzimpfung ist in einer Pandemie grundsätzlich eine wünschenswerte und effektive medizinische Präventionsmaßnahme“, erklärt Georg Soldner, der sich als anthroposophischer Kinderarzt intensiv mit der Impfthematik auseinandergesetzt hat.
Dies bestätigt ein Blick in die Geschichte des Impfens, die mit der Entwicklung des ersten Impfstoffs gegen Pocken am Ende des 18. Jahrhunderts begann. An dieser hochansteckenden Viruserkrankung starben damals etwa 30 Prozent der Infizierten, allein im 20. Jahrhundert sollen es noch rund 300 Millionen Menschen gewesen sein. Erst durch die Möglichkeit der Impfung konnten die verheerenden Pockenepidemien gestoppt werden. Sie geht auf den englischen Landarzt Edward Jenner (1749–1823) zurück, der beobachtet hat, dass Menschen, die eine Infektion mit den harmlosen Kuhpocken durchgemacht hatten, gegen die gefährlichen Menschenpocken immun waren und nicht oder nur leicht daran erkrankten. Er entwickelte einen Impfstoff und erfand damit die moderne Schutzimpfung. Nachdem weltweit eine Impfpflicht gegen Pocken eingeführt wurde, gilt die Erde seit 1979 als pockenfrei. Am 8. Mai 1980 wurde das Virus dann auch offiziell für ausgerottet erklärt. „Auch gegen Pest, Tuberkulose, Tollwut, Tetanus (Wundstarrkrampf) und Gelbfieber – um nur die wichtigsten zu nennen – wird heute sehr erfolgreich geimpft“, fügt der Internist Dr. Johannes Weingart hinzu.
Wie erfolgreich eine Schutzimpfung sein kann, zeigt sich auch an Viruserkrankungen wie der Kinderlähmung (Poliomyelitis), die – wie die Erkrankung an Covid-19 – nur bei einem kleinen Teil der Infizierten schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle auslöst. Hauptsächlich betroffen sind Kinder im Kindergarten- und frühen Schulalter. Haben sie sich mit dem Poliovirus angesteckt, kommt es bei rund 0,1 Prozent der Infizierten zu Lähmungserscheinungen (paralytische Polio). Je nach Schwere der Erkrankung sterben etwa fünf bis 60 Prozent der Betroffenen daran, und auch bei den Überlebenden können leichte bis sehr schwere Lähmungen zurückbleiben.
Anfang der Fünfzigerjahre stellte der amerikanische Bakteriologe Jonas Edward Salk aus abgetöteten Polioviren erstmals einen Impfstoff zur Behandlung der tödlichen Nervenkrankheit her, kurz danach kam ein Lebendimpfstoff auf den Markt, der auf einem Stück Zucker aufgeträufelt werden konnte und somit sehr einfach einzunehmen war. Mit der Einführung der Schluckimpfung gingen die Erkrankungszahlen schlagartig zurück, und inzwischen gelten weite Teile der Erde – darunter Europa – als poliofrei. „Die Schluckimpfung hat sich als ein sehr wirksames Instrument erwiesen, die Poliopandemie zu beenden, weil sie nicht nur die Ansteckung, sondern auch die Weitergabe des Virus durch Infizierte verhindern kann“, erklärt Georg Soldner. „Gleichwohl ruft dieser Impfstoff bei einem von 2,7 Millionen Geimpften eine mit Lähmungserscheinungen einhergehende ‚Impfpolio‘ hervor, bei Menschen mit einem Immundefekt wesentlich häufiger.“ Diese extrem seltene, schwerwiegende Nebenwirkung der Schluckimpfung mit abgeschwächten Lebendviren hat dazu geführt, dass inzwischen mit einem Totimpfstoff mit inaktiviertem Virusmaterial gegen Kinderlähmung geimpft wird.
Bis heute ist es nicht gelungen, global die Polio ganz zu eliminieren und damit den Erfolg der Pockenimpfkampagne zu wiederholen. „Auch die Impfkampagne gegen Masernviren zeigt, wie schwierig globale Eliminationsprogramme zu realisieren sind,“, fügt Soldner hinzu. „2019 erreichte die Zahl gemeldeter Maserninfektionen die Höhe von 1996, mit einer weltweit betrachteten Mortalität von mehr als 20 Prozent. Dieses Beispiel deutet darauf hin, dass eine Elimination von Sars-CoV-2 durch eine flächendeckende Impfung herausfordernd sein könnte, selbst wenn die Impfstoffe ebenso effektiv sein sollten wie der Masernimpfstoff.“ Den vollständigen Beitrag finden Sie in unserem Spezial Corona
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