Auszug aus Heft 6/16
Seit alters her sind die dunklen Tage und Nächte zwischen den Jahren von einem Geheimnis umwoben, das unsere Ahnen zu besonderen Ritualen bewog. Auch heute können wir sie als eine Zeit der inneren Einkehr und der Vorbereitung auf das neue Jahr erleben.
Die Raunächte beginnen am 21. Dezember – der Wintersonnenwende und längsten Nacht des Jahres – und enden am 6. Januar, dem Dreikönigstag. Die Natur hat sich ganz zurückgezogen und wartet auf die Wiedergeburt des Lichts und des Lebens. Nur ganz langsam schrumpfen die Nächte, kommt kaum merklich wieder mehr Licht in die Welt.
Für unsere Altvorderen waren die unheimlichen Raunächte ein bedeutender Zeitpunkt im Jahreslauf, den sie mit allerlei Ritualen und Bräuchen begingen. Sie hatten weder elektrisches Licht noch Zentralheizung, erlebten die Gewalten und den Wandel der Natur also noch ganz unmittelbar. Was man in den Raunächten träumt, geht im neuen Jahr in Erfüllung, glaubten sie. Auch Heilkräuter wirken in den Tagen um den Jahreswechsel angeblich stärker als sonst, weshalb Pflanzenbräuche eine bedeutende Rolle spielten.
Über solche Rituale und Ansichten, die uns im 21. Jahrhundert vielleicht abwegig und kurios erscheinen, sollten wir aber nicht vorschnell urteilen. Vieles davon beruht nicht nur auf Aberglauben, sondern hat einen wahren Kern. Auch heute können wir die mittlerweile wissenschaftlich nachgewiesene Heilkraft von Pflanzen nutzen – es muss ja nicht gerade für einen Liebeszauber sein, sondern zur Stärkung der Abwehrkräfte und zur Vorbeugung von Krankheiten. Und wir können diese stillen Tage und Nächte bewusst und achtsam erleben. Meditationen sind jetzt besonders tief und intensiv. Im Niemandsland zwischen Stillstand und Neubeginn können wir uns auf unsere wahren Bedürfnisse besinnen, Rückschau halten, Bilanz ziehen, uns von Altem lösen und die Weichen für das kommende Jahr stellen. Es gibt also gute Gründe, sich auch heute noch auf den Zauber und die Bräuche der Raunächte einzulassen!
Räuchern vertreibt böse Geister
In den langen, geheimnisumwobenen Raunächten stehe die sonst verschlossene Tür zur Geisterwelt offen und es spuken mehr Tote und Teufel, aber auch gute Geister in der Welt der Menschen herum als in der übrigen Zeit, glaubte man früher. Um die bösen Geister zu vertreiben, ließ man sich allerhand einfallen. Das wichtigste Ritual war das Räuchern mit Kräutern und Harzen.
Womit auch die Herkunft des Namens möglicherweise geklärt wäre – Raunacht könnte gut von „Räuchern“ kommen. An den wichtigsten Raunächten wie Wintersonnenwende, Heiligabend, Silvester und der Nacht vor Dreikönig gingen die Bauern bei Einbruch der Dunkelheit durch Haus und Stall und schwenkten dabei glimmende Kräuter. Ihr aromatischer Geruch sollte böse Geister buchstäblich ausräuchern. Heute weiß man, dass die damals beliebtesten Raunachtskräuter tatsächlich eine luftreinigende und sogar keimtötende Wirkung haben. So kann Thymian wirklich einen „bösen Geist“ vertreiben – wenn der in Form eines Infekts daherkommt, denn sein strenger, pfeffrig-erdiger Duft wirkt stark antibakteriell und antiviral. Auch der Weihrauchduft von Rosmarin desinfiziert und belebt, ähnlich wie Wacholder und Weißtanne. Salbei reinigt die Küche von penetranten Gerüchen (z. B. Fisch, Kohl) und erleichtert wie auch Fichte das Atmen.
Nicht allen Geistern galt es, den Garaus zu machen, im Gegenteil: Die freundlichen Toten konnte man in den mystischen Raunächten besser als sonst kontaktieren und um Rat fragen. Zukunfts- und Liebesorakel wie auch Liebeszauber hatten Hochkonjunktur. Lesen Sie den vollständigen Beitrag in Ausgabe 06/2016.