Hans Jonas (1903–1993) gehört zweifellos zu den Philosophen, die unsere Zeit entscheidend geprägt haben. Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts in Deutschland geboren, erlebte er Höhen und Tiefen des 20. Jahrhunderts aus ganz persönlicher Perspektive.
Bereits sein Studium der Philosophie wurde von sehr unterschiedlichen Denkwelten geprägt. Im Umfeld von Martin Heidegger begann er seine Dissertation, mit Hannah Arendt verband ihn eine enge Freundschaft. Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten wanderte er 1933 über London nach Jerusalem aus, nach dem Krieg führte ihn sein Weg über Kanada nach New York, wo er bis zu seinem Tod lebte und arbeitete.
Jonas’ philosophisches Hauptwerk erschien 1979 unter dem Titel „Das Prinzip Verantwortung – Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation“. Aus dem Werk stammt das bekannte, in der Formulierung an Kants kategorischen Imperativ angelehnte Zitat, das auch als „ökologischer Imperativ“ bezeichnet werden kann: „Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“
Mit seinem Appell rückte Jonas seinerzeit ein Problem in den Mittelpunkt unseres gesellschaftlichen Diskurses, das bis heute zunehmend an Bedeutung gewinnt. Es geht um den Erhalt des Gleichgewichts zwischen Natur und Mensch und um die Bedrohung dieses Gleichgewichts durch den Missbrauch moderner Technologien, die es den Menschen ermöglichen, ihre Lebensgrundlage vollständig zu zerstören. Explizit benannte er dabei nukleares, ökologisches, bioethisches und gentechnologisches Wissen und dessen Anwendung in Ökologie, Medizin und Biomedizin.
Jonas hat mit seinen Gedanken wesentliche politische Weichenstellungen beeinflusst. So wurde der Schutz der Rechte zukünftiger Generationen 1994 im deutschen Grundgesetz (§ 20a) verankert, die Vereinten Nationen verabschiedeten 2015 eine Agenda 2030, mit der sich die Weltgemeinschaft zu 17 globalen Zielen für eine bessere Zukunft verpflichtet. In Europa legte die Europäische Kommission 2016 ihre Maßnahmen zur Umsetzung einer entsprechenden Nachhaltigkeitspolitik vor.
Hat sich also das „Prinzip Verantwortung“ durchgesetzt? Angesichts des Zustands unserer Welt mit vielen ungelösten ökologischen und gesundheitlichen Problemen drängen sich als Kommentar die Worte eines anderen Deutschen auf, die des Dichters Johann Wolfgang von Goethe: „Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehn!“ / Dr. Frieder Stein