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Kolumne: Ernährungsmedizin – eine Frage der Qualifikation

Foto: Milkos/iStock.com

Kolumne von Dr. med. Volker Schmiedel, seit 31 Jahren als Arzt tätig, Autor zahlreicher naturheilkundlicher Bücher für Therapeuten und Laien, beleuchtet für uns aktuelle Fragen des Gesundheitswesens.

Welche Rolle bestimmte Ernährungsumstellungen in der Prävention oder der Therapie von Krankheiten spielen, dazu gibt es viele unterschiedliche Meinungen. Aber über eines besteht ein großer Konsens: Gute Ernährung kann die Entstehung von Krankheiten verhindern, den Verlauf verbessern und sogar zur Heilung beitragen.

Die bekanntesten ernäh­rungsabhängigen Krankheiten sind unter anderem Übergewicht, Diabetes mellitus Typ 2, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Osteoporose. Viele Menschen nehmen daher an, dass Ärzte eine besonders hohe Kompetenz in Ernäh­rungsfragen aufweisen müssten.

Dem kann ich nur entschieden widersprechen, denn das heutige Medi­zinstudium und auch die Facharztweiterbildung werden dieser Qualitätsanforderung nicht gerecht. So bleibt der Erwerb ernährungsmedizinischer Kompetenz oft dem Autodidaktentum des Interessierten überlassen. Leider interessieren sich aber Ärzte – Ausnahmen bestätigen die Regel – nicht besonders für Ernährungsmedizin, da man sehr viel Zeit aufwenden müsste, um sich in die Materie einzuarbeiten, zudem ist auch die Beratung zeitaufwendig, und sie wird schlecht bezahlt. Und die Patienten selbst sind nicht immer bereit, die Empfehlungen des Arztes auch umzusetzen.

Hierzu ein kleiner Fall aus der Praxis: Neulich kam ein junger Mann zu mir, der an Nierensteinen litt, und dies immer wiederkehrend. Ihm war empfohlen worden, viel zu trinken. Eigentlich eine gute Empfehlung, denn viel Flüssigkeitszufuhr mindert die Konzentration der steinbildenden Substanzen. Wenn es allerdings darum geht, über die weiter­gehende Behandlung zu befinden, ist die Art der Nierensteine entscheidend. Am häufigsten kommen Calcium-Oxalatsteine vor, bei denen eine Alkalisierung des Harns sinnvoll ist. Der Patient jedoch litt an Calcium-Phosphatsteinen, die sich bei einem hohen pH-Wert im Urin bilden. Der Harn sollte also eher angesäuert werden.

Geschehen war das Gegenteil: Der Urin des Patienten wurde nicht angesäuert, sondern mit Medikamenten alkalisiert. In meiner Säure-Basen-Messung wies er dann auch hohe pH-Werte im Bereich von 6,5 bis 7 auf – genau die Werte, bei denen sich die Steine bilden. Außerdem hatte mit ihm niemand über Kochsalz geredet. Dabei vermindert eine kochsalzarme Ernährung die Kalziumausscheidung und damit die Gefahr, dass Nierensteine entstehen.

Die Lehre daraus? Bei ärztlichen Ernährungsempfehlungen lohnt es sich (fast) immer, die Zweitmeinung eines gut ausgebildeten Ernährungsmediziners einzuholen – oder sich selbst schlauzumachen. In jedem Falle sollte der Patient aber für sich selbst Verantwortung übernehmen: vieles anhören, alles gegeneinander abwägen und bei ganz klaren Widersprüchen zu einer eigenen Entscheidung kommen. Und meinen ärztlichen Kolleginnen und Kollegen empfehle ich, eine ernährungsmedizinische Beratung nur dann anzubieten, wenn dafür auch die notwendige Qualifikation vorliegt.

Diesen Beitrag finden Sie in Ausgabe 4/2019.

 



 

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